In Freiheit zu leben, also bewusst in Freiheit zu leben, ist gar nicht so leicht. Ja vielleicht gehört es insgesamt mit zum Schwierigsten, dem man sich aussetzen kann. Ist es seinen Preis wert? Ja, in jedem Fall. Denn die Erfüllung, die man daraus für sich gewinnt und erlebt, trägt sicher zu den schönsten Gefühlen bei, in denen sich ein Mensch erleben kann.
Wirklich frei zu leben ist aus mehreren Gründen schwierig. Ein Lebensstil in Freiheit zwingt uns in die vollkommene Selbstverantwortung, fordert uns auch darin, praktisch allerhand in unserem Leben zu verändern und ermahnt uns ausserdem zu einem Denken, das viele gesellschaftlich eingefahrene, mehrheitlich akzeptierte, aber überholte Konventionen hinter sich lässt. Es zwingt uns sowohl mental als auch praktisch in ein Leben, das sich wirklich leicht anfühlt das aber bis ans Ende, bis in die Tiefe denkt, aus der sich die schönste Klarheit entfalten kann.
Klarheit entspringt einem tiefen Denken, einem Weiterdenken, einem Zu-Ende-Denken. Wenn wir aber praktische Lebensführung, Geld, Gesundheit, Gewohnheiten, Beziehungen und dergleichen insgesamt hinterfragen und uns die Karten mal ganz neutral und nicht im Licht der Konventionen, in denen die meisten mehr oder weniger gefangen sind, anschauen, dann zeigt sich ein völlig neues Bild.
Ich gehe mal davon aus, dass viele Menschen mit Freiheit auch Glück assoziieren. Und es stimmt: Wer frei ist, hat sicher besseren Chancen, glücklich zu sein, als jemand, der das nicht ist. Allerdings ist die Freiheit keinesfalls ein Garant für das Glück. Häufig ist das Gegenteil der Fall. Denn Freiheit fordert unweigerlich die Auseinandersetzung mit uns selbst und zwingt uns zum Nachdenken. Und das tun die wenigsten gerne. Unser Selbstbewusstsein hängt im starken Masse davon ab, ob wir uns bewusst mit uns selbst auseinandersetzen. Ein Pseudo-Selbstbewusstsein schiebt dieses Ringen mit sich selbst gerne weg, richtet seinen Fokus nach aussen und blendet die Innenwelt aus. Menschen, die so leben, sind zwar häufig sehr erfolgreich, fühlen sich innerlich aber oft auch leer und können sich selbst nur schwer, wenn überhaupt, aushalten.
An Rousseaus Ausspruch, dass “alles Unglück der Menschen daher rührt, dass sie es nicht verstehen, einen Tag alleine in einem Raum zu verbringen”, ist wahrlich viel Wahres dran. Wenn wir frei werden wollen, können wir der Auseinandersetzung mit uns selbst ganz unmöglich ausweichen. Diese Konfrontation kommt aber eigentlich erst zustande, wenn man in einem Zustand des Nichtstuns, der Leerheit, des Zur-Ruhe-Kommens landet. Und dazu sind, wie Peter Ustinov das einmal so schön ausgedrückt hat, ja eigentlich nur die Aristokraten und Philosophen geeignet. Erstere, weil sie sich diese Fähigkeit über Generationen vererbt haben, und letztere, weil sie sie sich zum Beruf gemacht haben.
Man kann darüber denken, wie man will, aber es ist wirklich schwierig, sich selbst in diesem Vakuum auszuhalten, ja, sich diesem Zustand des Bei-sich-selbst-Ankommens auszusetzen. Aber es scheint mir der einzige Ausgangspunkt zu sein, um das Leben in Richtung Freiheit auszurichten und von Standpunkten und Einsichten aus zu leben, die uns wirkliches Glück bringen, und uns tiefe innere Ruhe und Zufriedenheit bescheren.
Warum ist das alles so schwer? Um es kurz zu sagen: Wenn wir zur Ruhe kommen, quillt die Scheisse erst einmal hoch, und das tut weh.
Wenn man die Hölle aber erst einmal hinter sich hat, gelangt man an ziemlich schöne Orte, und das, ohne die Reise um die Welt gemacht zu haben. Es geht hier um eine handfeste Auseinandersetzung mit unserer Innenwelt.
Aus der Ruhe heraus können wir in einen Zustand gelangen, aus dem heraus wir klarer sehen können, was für uns wirklich zählt. Und dann können wir zum Kern unserer Existenz vordringen und erkennen, wie viel Unnützes, Überflüssiges und für uns Überholtes uns im Weg steht und die Schatten wirft, die das schönste Licht in unserem Leben verhindern.
Wir sind ja schon frei. Wir sind und waren immer frei. Aber wir zwingen uns so oft in die Unfreiheit, um uns mit unserer Freiheit und der damit verbundenen Entfaltungsmöglichkeit, aber auch der Verantwortung zu drücken. Die Freiheit ist ein Standpunkt, denn wir einnehmen, und von dem aus wir unser Leben aus einer bewussten Verantwortung und einer gewissen Tiefe heraus zu steuern lernen.
Sehen Sie: Wenn wir einfach nur relativ unreflektiert tagein tagaus Dinge tun, mit denen wir die Zeit tot schlagen, die sich aber nicht gut anfühlen, und die Erfahrung der Fülle und einer tiefen Befriedigung im Leben verhindern, dann decken wir unsere Freiheit zu und leben unreflektiert in einem dumpfen Schmerz dahin.
Wenn wir uns aber auseinandersetzen, uns bewusst einklinken und wirklich zu individuellen Gestaltern unseres Lebens werden, dann leben wir unsere Freiheit. Aus der mentalen Annahme unserer Freiheit erwächst uns aus der Auseinandersetzung mit uns selbst auch ganz praktisch ein Leben, das diese Freiheit widerspiegelt.
Have a great day…and a good life!