„Die Menschen aber, die von der Hoffnung leben, richten sich schlecht ein in dieser Welt…“ Albert Camus
Die Hoffnung ist trügerisch. Sie ist ein Lügner, eine Betäubungsspritze, der Beta-Blocker schlechthin, wenn es um die Vernichtung von Leben geht. Ich meine Lebenszeit. Denn was ist das Leben anderes als Sein in der Zeit. „Die Zeit ist mein Acker“ schreibt Goethe. Wie wahr ist das. Und darüber hinaus, am Horizont, hinter der Zeit? Nichts mehr, nichts als Leere und Ewigkeit. Vielleicht kommt die Reinkarnation vorbei, oder gleich die Erlösung, um ein wenig zu beschwichtigen. Ist alles nicht so schlimm, meinen die beiden. Alles ist gut, oder das wird schon wieder. Und selbst wenn: Was hilft mir das, wenn die Lichter ausgeblasen sind und Schicht im Schacht ist. Es ist noch keiner wieder gekommen.
Die Zeit ist Acker und Spielfeld, ist Jetzt so lange man lebt. Und sonst gar nichts. Sonst gibt es nichts. Deshalb ist die Hoffnung ein schlechtes Prinzip, ein verwerflicher Ratgeber und die Pille, die man schluckt, wenn man sich vom Leben verabschiedet.
Das Leben ist zutiefst abenteuerlich, gefährlich und unvorhersehbar. Und die Welt rettet man gefälligst jetzt. Und nicht irgendwann.
Man kann es schön reden. Man kann vielleicht noch planvolles Handeln integrieren. Grosse Projekte brauchen Zeit. Das Leben schert sich einen Dreck darum. Es ist immerzu jetzt. Immer und in jedem Augenblick. Planen kann man ja. Wenn man nur die Klarheit hat und dabei nicht von der Hoffnung getragen wird. Die Hoffnung darf niemals Stützpfeiler, Trostpflaster und Träger einer vagen Zukunft sein. Denn Hoffen auf die Zukunft ist immer ein Wechsel auf das was kommt. Und wer will das wissen. Planvolles Handeln in Klarheit auf ein Ziel hin? Ja, bitteschön. Aber immer im Jetzt. Nichts passiert irgendwann. Das Prinzip Leben hat etwas immerzu Gegenwärtiges und pfeift auf ein fertiges Projekt.
„Irgendwann fahre ich in den Süden“ ruft die Stimme sehnsüchtig, während der Regen fällt. Jeder weiss, wie er durch oder über den Gotthard kommt oder die Cote d’Azur ansteuert. Ein paar Stunden Fahrt und die Sonne geht auf. Entweder geniesst man den Regen oder man bricht auf. Dazwischen gibt es nichts. Sich dazu verleiten zu lassen, an den nächsten Urlaub zu denken, tötet die Gegenwart. Das klingt nicht schön, macht aber das Prinzip klar.
Die Hoffnung verschiebt die Klarheit mit ungeheuerlicher Gewissheit. Sie vertagt sich immerzu in ihrer Entscheidung, setzt den Prozess, in dem wir über unser Leben Gericht halten aus und verurteilt uns zeitgleich zur Untersuchungshaft in Zögerlichkeit und einer bizarren Zerrissenheit, die nicht lebt, aber verschwommen etwas erwartet, von dem sie nicht einmal weiss, was es ist. Denn wenn sie hätte, was sie hofft. Wie anders wäre was sie hätte, als was sie sich die ganze Zeit über einbildet.
Die gegenwärtige Erfahrung überrascht uns immerzu und straft die Hoffnung lügen. Denn wie gesagt: trügerisch ist die Hoffnung, ein Schein, der wenn man ihn in der Gegenwart erleuchtet, so oft als eine Fratze und Enttäuschung bloss gestellt wird. Man hat so lange gehofft. Dann, irgendwann, bekommt man, was man hoffte. Aber es ist so anders. Man will es nicht mehr.
Wenn ich jetzt da bin wo ich bin, kann die Zukunft gut werden. Ich weiss es aber nicht. Alle Zeit ist jetzt. Und dann nicht mehr. Klarheit habe ich hier und jetzt oder gar nicht. Mit der Klarheit lässt sich nicht diskutieren. Klarheit meint das Ergreifen der Gegenwart in einer erschreckenden Selbstgewissheit. Man tut so als wüsste man, wo man hin will. Und indem man so tut, ist es so. Aber es passiert immer jetzt und ganz ohne Hoffnung auf irgendetwas. Auf den Handel mit dieser Klarheit lässt sich das Universum vielleicht ein. Es entspricht auf merkwürdige Weise dem Eroberer. Das Rote Meer teilt sich nicht aus dem Prinzip Hoffnung. Es teilt sich aus dem Wissen, dass das genau jetzt geht und passiert.
Der Weg in die Freiheit führt immer über entschlossenes Sein im Jetzt. Die Freiheit ist selbstverständlich absurd. Der Tod wird sie verschlingen. Bis dahin aber gibt es nichts zu hoffen. Die Freiheit, die man hat, ist bis dahin gegenwärtig zu sein. Das Jetzt ist die schärfste Waffe, um gut zu leben.
Have a great day…and a good life!