Wenn’s bergab geht, kann das Freude machen. Zum Beispiel beim Skifahren und Rodeln. Und jetzt, wo es doch Winter ist, hält man sich das gerne vor Augen. Dass man aber das Rad so weit schlägt, das Bild geradewegs auf alle Bereiche des Lebens anzuwenden, ist dann doch bemerkenswert.
Die Medien verkommen immer mehr zu Marktschreiern einer sich aufschaukelnden expliziten Verblödung, worüber sich aber kaum jemand echauffiert, da der Grad des unreflektierten Annehmens jeglicher Wahrheit und Unwahrheit – alles ist ja relativ und wer will das schon noch trennen – längst im Licht eines heilsbringenden Wahnsinns erstrahlt, der gewaltig blendet.
Politiker und Lobbyisten gefallen sich wie eh und je in pathologischen Shakehands. Menschen, die eigentlich in geschlossene Anstalten gehören, haben mehr denn je eine Bühne und sondern sinnbefreit Unwahrheiten ab, die bereits durchaus den Charakter von Märchen haben. Wissenschaft wie man sie glaubte, gekannt zu haben, wird nicht mehr als seriöse Orientierung mit einbezogen, und wer braucht sie auch in einer bunten, bespassenden Bilderwelt mittealterlicher Couleur, die vor allem fühlt. Die fühlt, während alles vor die Hunde geht, die fühlt, während ganze Länder ins Elend driften, die fühlt im fliegenden Übergang von sozial zu asozial. Feiern und fett grinsen bis ins Nirwana ist das Motto einer düsteren, nebligen Zeit, die sich selbst nicht mehr versteht und driftet in traummodellierten bunten Gedankengebilden einer abgehobenen Phantasie, die man Staatslenkern und Choriphäen an den Schalthebeln der Macht so doch keinesfalls je zugetraut hätte.
Die Mäntelchen flattern dabei lustig im Wind und drehen sich je nach Wetterlage hin und her. Wer so betrunken von seiner eigenen Selbstverliebtheit ist und ohne Kompass durch die Gegend rennt, müsste doch irgendwann mal nüchtern werden – will man doch meinen. Aber es passiert nicht. Kein Anflug von Kehraus und Sperrstund. Stattdessen Abfeiern bis zum Abwinken in traumseliger Selbstzerstörung. Wen kümmert’s?
Es ist so beieindruckend, das mitzuerleben, dass man wie vor einem Weltwunder letztlich nur ohne Worte staunend zurückbleibt.
Man will auch selbst schon gar nicht mehr ins Detail gehen, wo man doch ohnehin nicht weiss: wo anfangen, wo aufhören? Dass gebildete, studierte und unstudierte Menschen mit einem vor wenigen Jahren noch funktionierenden Verstand jetzt fürs Klima freiwillig kalt duschen und endlich mal wieder Schimmel in die Häuser lassen, beeindruckt. Die Kriegsschreierei ist ausgebrochen, die Diplomatie eingebrochen wie ein windiges Soufflet, so als sei miteinander reden ohnehin stets nur heisse Luft.
Plagen aus Zeiten, die wir schon abgeschrieben hatten in verstaubten Geschichtsbüchern, erleben eine Renaissance ohnegleichen. In die Brutalität der Strassen kehrt die Axt zurück und ganze Gesellschaften verstümmeln sich freiwillig. Die Seelen weinen und es fliesst auch wieder Blut.
Selbst würde man ja gerne aufstehen gegen das alles und für das Allerselbstverständlichste, das über Nacht weggewischt und aus den Angeln gehoben wurde. Aber auch hier: Umgeben vom Wahnsinn, was macht man? Mit Dummheit und Wahnsinn lässt sich nicht debattieren. Denn beide sind sie verständnislos und kaum wandelbar. Und auch die fesselnde Angst ist mit von der Partie.
Von daher lasst uns einander künftig wie die Kinder an den Windrädern freuen, die auch dort aufgestellt werden, wo nur selten der Wind weht. Umweltschutz hängt ja schliesslich auch sein Mäntelchen in mit purem Menschverstand nicht auszumachender Vorhersagbarkeit und Logik nach einem Wind, der jederzeit von überall her blasen kann.
Und vielleicht fängt der Wind ja dann auch wie durch Zauberhand dort an zu blasen, wo die Windräder dann endlich stehen werden. Wir werden die Natur schon noch überlisten.
Vielleicht täusche ich mich aber auch und liege grandios daneben. Wer will das schliesslich wissen und ist ohne Fehl? Doch der Einruck bleibt:
Das Weltgeschehen feiert sich im Delirium. Und da ist Nüchternheit wohl kein guter Ratgeber – vor allem, wenn man nicht auffallen will.
Vielleicht aber Abstand. Ich versprühe zum Kehraus noch etwas Herzblut, so wie der Pfarrer zum Pfingstsegen das Weihwasser und entlasse mich freundlich aus der Teilnahme am Wahnsinn. Ich könnte mich natürlich einmischen. Aber man kann sich nicht einmischen und gleichzeitig raus halten. Man muss sich entscheiden. Und ich will mich definitiv raushalten.
Über dem Radar finde ich plaktative Wichtigtuerei, ein Nichtsein, das sich gefällt im Scheinen. Unter dem Radar finde ich Einfachheit und Schönheit, ich finde eine Welt, in die ich mich auf mich selbst zurückwerfen kann. Nicht wie in eine Hängematte. Aber ich stehle der Welt ein paar unkomplizierte Sonnenstunden, einen Waldspaziergang, einen Kaffee in meiner warmen Hand, während ich den Blick ruhig schweifen lasse. Ich kann mich in den Wettbewerb zum Guten Leben werfen, bei dem ich es zwischen mir und mir ausmache, wer das Sagen hat.
Ich denke nach, ich schreibe etwas, ich arbeite und erprobe meine Grenzen. Und zwar aus keinem geringeren Grund als dem, dass ich mir selbst ein wenig gefallen will.
Über dem Radar finde ich die Grimasse, Botox und Likes, unter dem Radar finde ich noch immer die Natur in ihrer Ursprünglichkeit, etwas Rauhes, aber auch Schönheit und eine Wirklichkeit, die ich gelten lassen kann.
So geht es auf und davon bei einer Schlittenfahrt der Irren, von denen ich vermutlich auch schon einer bin. Ich tröste mich aber, und sage mir, es ist einfach nur eine irre Schlittenfahrt, schnell, und auf ganz merkwürdige Weise in die Tiefe gehend.
Noch wird gescherzt, während man es fahren lässt. Allerdings, zwischen Löchern ohne Boden und Tiefe gibt es einen Unterschied, und zuweilen sind Abgründe einfach Öffnungen eines Höllenschlunds und keine Talstation mit Glühwein und Jagertee. Nur soviel ist gewiss: es geht dahin. Und das liegt in der Natur der Zeit, dass sie nämlich dahin zieht. Eine Sprinterin im Gewand des Gemächlichen. Also, was soll schon sein, während ohnehin doch nur die Uhr tickt. Alles ist Windhauch. Und wir sind mittendrin, statt nur dabei.
Have a great day…and a good life!