Darüber, wie jeder seine Freiheit gestaltet und auslebt, kann rege diskutiert werden. Es ist eine individuelle Sache, die für jeden anders aussieht. Aber die Voraussetzungen, die gewährleistet sein müssen, wenn wir Freiheit leben wollen, sind einheitlicher und allgemeiner.
Freiheit ist einerseits ein Gefühl, wird aber auch durch äussere Zustände gewährleistet. Wenn man gesund ist, in einem demokratischen Land lebt, in dem man sich frei bewegen kann und zudem auch wirtschaftlich unabhängig ist, bewegt man sich freier durchs Leben. Wenn man sich dazu auch innerlich seine Freiheit bewahrt, kann man schon von einem hohen Mass an gelebter Freiheit reden. Aber in die Verfassung wirklicher Freiheit zu kommen, ist oft leichter gesagt als getan.
Wir sind eine Insel. Jeder kann sich selbst zur Insel werden. Und doch auch nicht. Wir sind Individuen. Wir stehen für uns alleine. Wie sind eine ganze Welt in uns selbst. Und doch auch nicht. Wir sind immer auch verbunden. Und wir sind immer auch alleine. Soziale Individuen sind wir.
In der Wahrnehmung einer puren Egogetriebenheit werden wir uns letztlich niemals wirklich frei fühlen. Eine Wahrnehmung der Freiheit in einer Form, bei der das Ego sich immerzu einmischt, indem es die Überhand gewinnt, ist eine Pseudofreiheit, und wenn sie sich einstellt, dann doch nur vorübergehend. Eine solche Freiheit kann uns kurz blenden, aber nicht erfüllen.
Freiheit kann aber durchaus erfüllen, wenn ihr Fundament stabil ist, wenn sie wahrhaftig ist. Und gerade wenn sie das ist, besteht ihre – wenn man so sagen will – Schönheit im Gefühl einer grossen Verbundenheit. Erst wenn wir uns in der Tiefe unseres Sein mit der Schöpfung und allem Leben in ihr verbunden fühlen, kann sich ein wahrhaftiges Gefühl von Freiheit einstellen.
In diese Tiefe gelangen wir allerdings nur durch Ruhe, Einkehr, Kontemplation und Meditation. Vor die Dynamik hat der Liebe Gott die Ruhe und das Zu-Sich-Kommen in der Stille gesetzt. Das Gefühl der Verbundenheit kommt dem Gefühl der Freiheit nahe. Es ist der nonverbale spirituelle Urgrund, auf dem gelebte Freiheit aufbaut und aus dem heraus sie agiert. Es ist das Fundament der Freiheit. Ohne Spiritualität gibt es keine Freiheit, sondern nur flüchtige Gefühle vorübergehender Leichtigkeit. Auch sehr schön, zugegeben, aber doch von einer ganz anderen Qualität. Auch falsche Diamanten glänzen für einen Moment. Aber nur echte Diamanten sind zeitlos und wirklich stark.
Man muss sich die Zeit nehmen. Aber die wenigsten nehmen sich die Zeit. Es ist einfacher wegzuschauen. Aber wir kommen nirgendwo hin, wenn wir immer nur wegschauen. Ist die Freiheit trotzig? Ja, schon. Aber doch nur, weil sie sich gegen eine Konformität aufzulehnen hat, die in sich unfruchtbar, unreflektiert und oberflächlich ist. Es gibt eine Freiheit der Selbstverantwortung. Sie steht der Gefangenheit einer unbewussten Herdenmentalität stark entgegen. Es gibt allerdings auch den spirituellen Wegschauer. Das sind Menschen, die die Spiritualität zum Vorwand nehmen, sich zu trennen, abzusondern und sich über den aktiven selbstverantwortlichen Teil menschlichen Seins zu erheben.
Doch immer muss unser Sein auch ein Tun sein, so lange wir als Mensch sind. Ob wir nun meditieren, schreiben oder den Boden putzen. Menschsein heisst immer auch Handeln, und zwar aktiv und energieintensiv. Unbewusstheit verbringt nur Zeit. Tiefe ist Konzentration, schenkt Ihren Handlungen Aufmerksamkeit und Energie, ist fokussiert.
Gelebte Freiheit fühlt sich gut an, weil sie sich bewusst führt und erfährt. Sie ist keine flüchtige Tändelei, kein: Ich mache einfach mal, was ich gerade will. Was so leicht aussieht, kommt aus einer guten Spannung. Das Agieren von Akrobaten sieht so leicht aus. Aber ihr, sagen wir mal “Tanz” ist das Ergebnis perfekter Selbstkontrolle, die die Spannung über die gesamte Kür beibehält. Was so leicht aussieht ist das Ergebnis stetiger Selbstführung und selbstverantwortlicher Disziplin.
Wer frei sein will, darf sich ruhig einmal verirren. Es wird ihm wohl sogar ganz unweigerlich passieren. Aber er darf sich niemals verlieren. Wann verlieren wir uns? Wenn wir unbewusst werden. Freiheit ist auch Klarheit. Der Weg zu immer grösserer Freiheit ist ein Ringen um Klarheit, geistig wie praktisch.
Sich selbst in Freiheit zu führen ist eine Kunst. Wir werden unseren Weg immer wieder hinterfragen müssen, unsere Ziele und tiefsten Werte immerzu anzuschauen haben. Es wird Veränderungen und Korrekturen geben. Ein freies Leben wird immerzu bemüht sein, auch eine grosse Einfachheit zu erreichen. Wie eine wundervolle Statue, die man erschafft, indem man aus dem Marmorblock alles Überflüssige wegmeisselt, schält ein freies Leben alles Unwesentliche ab und schafft den ganzen Menschen.
Einen freien Menschen werden wir immer an seiner einfachen, leuchtenden Klarheit erkennen, die das Ergebnis aktiv gelebter Tiefe ist.
Have a great day…and a good life!