Immer mehr bringt uns nirgendwohin. Das Immermehr und Immerschneller bringt uns ja eigentlich ab einem gewissen Level nicht mehr dorthin, wohin wir wirklich wollten. Das wissen wir inzwischen auch. Es macht uns nicht mehr glücklicher. Andererseits ist es auch kein Spass, mit angezogener Handbremse durchs Leben zu gehen. Das fühlt sich dann an, als würde man auf der Reservebank sitzen, während man eigentlich doch noch mittendrin statt nur dabei und voll unterwegs ist.
Das Immermehr und Immerschneller gibt uns ja doch etwas. Es ist ein Lebensgefühl, das auch dafür steht, dass man in seinem Leben Fahrt aufgenommen hat. Es steht für Momentum und für eine gesunde Dynamik, die uns zu Höchstleistungen anspornt. Oder haben Sie schon einmal jemanden getroffen, der behauptet, sich am lebendigsten zu fühlen, während er gerade mit 40 durch die Stadt fährt? Natürlich nicht. Mittelmass fühlt sich immer auch mittelmässig oder schlechter an. Mittelmässige Kleidung und mittelmässige Autos, mittelmässiges Essen und mittelmässige Leistung. Und Menschen, die was sie tun mittelmässig tun, geben einem immer auch das Gefühl der Austauschbarkeit. Man könnte sie ganz leicht verwechseln.
Jemand, der Höchstleistungen bringt, ist weniger verwechselbar, weniger Durchschnitt. Was aber viel wichtiger ist: Er fühlt sich auch viel besser. Und doch schwingt für uns im Immermehr und Immerschneller immer auch ein Gefühl von Hektik und Getriebensein mit. Und das wollen wir nun auch wieder nicht. Dynamik ja. Unkontrollierter blinder Aktionismus: Nein Danke. In einer Zeit, in der Wachstum eher blind und unreflektiert wuchert, so als sei ein Krebsgeschwür eine ganz hübsche Sache, bringt uns das Nachdenken über ein gutes Lebensgefühl ziemlich durcheinander. Es ist ein Dilemma. Mal sehen, ob es sich vielleicht aber doch in den Griff kriegen lässt.
Wir nehmen nun mal an, dass wir das volle Programm von dem wollen, was wir für uns Leben nennen. Das kann für viele Menschen einfach mal der Erhalt der Familie sein, zwei Urlaube im Jahr und mit einer 38 Stunden-Woche gemütlich durchs Leben zu segeln. Das alleine kann schon ein toller, sagen wir: Lebenserfolg sein. Aber zum einen funktioniert diese Variante immer weniger und zum anderen reden wir hier eher von Idealen und eher stürmischen Charakteren, die in neuen Projekten und Unternehmungen nach vorne drängen in eine immer bessere, immer tollere, immer glänzendere Zukunft, und das im Zustand eines kontinuierlichen Adrenalinausschusses und in einer Verfassung, die auch unaufhörlich Endophine und damit Glücksgefühle erzeugt, die sie das Leben eher als einen einzigen Rausch erleben lässt.
Ein einziger rauschender Tanz im Gefühl eines Verliebtseins ins eigene Dasein. So könnte man es vielleicht sagen. Und das bis zum jüngsten Tag, bis irgendwann die Lichter ausgehn. Daran aber denkt man besser nicht. Man lebt fatalistisch. Man tut so, als würde die Party niemals enden.
Was für ein Mensch ist das, für den sich das Leben so anfühlt? Gibt es den überhaupt? Und wenn es ihn gibt, was soll das alles? Der blindwütige Machoman auf der Bühne des umtriebigen Daseins, der Kapitän, der weiss, wohin die Reise geht, der Nero unter den Brandstiftern zum Feuer des Lebens. Was soll das überhaupt? Ja was? Und warum gefällt uns die Figur trotzdem so gut? Warum ist das so verführerisch und fühlt sich das so verdammt gut an, wenn wir dynamischen Menschen begegnen. Warum ist das so ansteckend?
Die Antwort: Wir sind einfach für das Abenteuer Leben geschaffen und wie gemacht. Über all die Generationen und Jahrhunderte, aufgesaugt im täglichen Kampf und gespeichert in den Genen liegt das Abenteuer, sich der Existenz, die täglich aufs Neue bedroht ist, zu stellen. Wir fühlen unsere Gene, wenn wir dynamischen entschlossenen Menschen begegnen, die zupacken und zielgerichtet überzeugt voranschreiten. Wir waren alle einmal Helden, und jetzt segeln wir ein einer Gesellschaft der Samsungs und Iphones digital im Nirgendwo virtuell daher und spüren uns in Computerspielen und den Highscores eines Gefühls, das stirbt, wenn der Strom ausfällt.
Und doch gibt es gegenüber diesem Abenteurer in uns auch eine Art Gegenbild, nicht als Gott, aber doch als Netz, wenn uns die Flügel einmal schwach werden oder gar brechen. Oder Kurz: Wohin begibt sich James Bond, wenn er nicht mehr weiter weiss? Er geht zur ruhenden Kraft, aus der alles entspringt und die alles in sich aufnimmt. Er geht zur Wiege der Weisheit und allen Lebens. Wer verkörpert diese Wiege? Ein Weiser, ein Göttlicher, ein Mensch, die die geistigen Gesetze in sich aufgenommen hat und gutmütig die Kreise des Lebens ihre Bahnen ziehen lässt, teilnahmslos scheinbar, und doch in vollster Präsenz.
Wir denken dabei in etwa an einen Kung-Fu-Meister, der nicht mehr kämpft, bei dem wir aber in jedem Moment um seine Kraft wissen. Dieser Mensch trinkt Tee, holt Wasser und hackt Holz. Was soll das? fragen wir zu Recht wieder. Ja was? Und landen ganz ohne Umschweife und scheinbar wie durch Zufall beim Unaussprechlichen, bei Dingen, die sich nicht mehr sagen lassen am Ende der Sprache. Man muss auch mal ZEN grade sein lassen können, will man doch meinen. Aber wir wollen dem Ganzen ja auch auf die Schliche kommen, und sehen gerade hier, dass wir an einen Punkt gelangen, der uns in vollster Dynamik den Wind aus den Segeln holt und in etwa etwas sagt wie: “Wenn Du meinst.”
Das ist es. Mehr ist es nicht. Weniger ist es nicht. Widersprüchlich ist es. Und klar wie der Bergsee ist es. Ein Paradoxon ist es. Und schliesslich doch nichts als etwas, das Sie sagen. Wenn Sie es sagen und tun, dann ist es. Wenn Sie es so meinen, dann ist es so. Einfachheit. In die Tiefe beschleunigen. Konzentration. Weniges nur. Wenn Sie es sagen, dann ist es das, was Sie sagen. Was es ist, das ist es. Was es nicht ist, das ist es nicht. Es ist immer durch Sie und in Ihnen. Es hat keine Sprache. Es ist vollkommen, ganz egal, was Sie tun und wie Sie sich anstellen. Und doch hat es eine Stimme und eine Stille. Es ist unendlich, es ist im Kleinsten und im Grössten, es ist voller Sinn und Tiefe und von grösster Unwichtigkeit. Und niemand hat damit zu tun ausser Sie selbst. Sie sagen und fühlen und leben es. Was Sie sagen und fühlen und leben und tun: Das ist es oder ist es nicht. Es wird nicht wichtig gewesen sein, und doch ist es von grösster Bedeutung.
Es wird so lebendig gewesen sein, wie Sie es in der Tiefe zu beschleunigen und zu erfassen vermögen. Es wird nichts gewesen sein als Sie selbst. Es wird alles was es sein kann gewesen sein durch Sie, und nur durch Sie. In die Tiefe beschleunigen, ruhig sein, voller Kraft und Dynamik, fühlen, Weniges. Das ist es. Leben. So lange man da ist. Dann gehen, als wäre nichts gewesen. Tee trinken, Wasser holen, Holz hacken, die Welt retten. Weniges tun, und das gut tun. Durchdringen. Präsent sein, während man da ist. Der Wind kommt und zieht vorbei. Ein Vogel zwitschert in den Ästen eines Olivenbaums. Singt und fliegt weiter. Das ist es. Flüchtiges Spielen in der Zeit, um alles und nichts. Nichts weiter.
Have a great day…and a good life!