Ich bin ein leidenschaftlicher Kaffee-Trinker, manchmal mit Sonnenbrille, fast wie Schorsch C., wenn er seinen Presso rauslässt, ganz sicher aber doch weniger elegant, aber von ähnlicher Gelassenheit, wenn die Sonne scheint, und friedliche Wellen eines gut gelaunten Mittelmeeres in meiner unmittelbaren Umgebung ihre Kreise ziehen oder der Mond im Licht des frühen Morgens über den Alpen noch über den Gipfeln liegt, bevor er der Sonne das Zepter für den Tag übergibt.
Das Gefühl des perfekten Kaffee-Genusses ist im Zuge von Werbekampagnen von führenden Herstellern der Kaffeautomaten- und -Kapsel-Industrie allerdings ganz unglaublich viel teurer geworden. Wahre Wunder geschehen noch und die Weisen der Werbeindustrie haben es wirklich geschafft, uns ein Pfund Kaffee für etwa das 10fache des herkömmlichen Preises zu verkaufen. Und nicht nur das: auch das Müllaufkommen hat sich in einem Mass vervielfacht, das seinesgleichen sucht. Denn jetzt schmeissen wir mit jedem Kaffee, den wir trinken, auch eine Kunststoffkapsel in den Müll. Dass sich das durch eine ganze Wissenschaft von Kaffeespezialisten, die eine noch nie da gewesene Qualität des Kaffeegenusses belegen, rechtfertigen lässt ist offensichtlich und wird hier auch gar nicht angezweifelt. Schon hat zudem auch ein Schweizer – “wer” sonst – eine wiederverwendbare Kaffeekapsel erfunden, die dem Müllaufkommen einen Riegel vorschiebt. Die muss mit normalem Kaffee aufgefüllt werden und stellt die Sinnhaftigkeit des Kapsel-Kaffeeautomaten damit dann doch wieder in Frage.
Wer mich kennt, weiss, dass ich weder ein politischer noch allzu kritischer Mensch bin. Ich sehe dem Amoklauf der Menschheit in Richtung Nimmerwiedersehen gelassen entgegen, da vor dem Hintergrund eines unfassbaren Universums, in dem wir unsere Kreise ziehen und eines Planeten, der sich auch ohne Homo Sapiens früher oder später ausgezeichnet erholen wird, und der ohnehin irgendwann verglüht, kein Grund zur Beunruhig besteht. Es ist eben doch alles nur eine Frage der Zeit. Insofern ist Abwarten und Kaffeetrinken eine tolle Option, um dem stillen Fortschreiten der Zeit ehrfurchtsvoll und gelassen die notwendige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die sie verdient. Nur was vergeht wird besonders. Halten wir also inne im Augenblick, der verfliegt, bei einer guten Tasse Kaffee.
Dennoch kann ich mich dem Gedanken nicht verwehren, dass sich die Spezies Mensch mit dem Nutzen dieser merkwürdigen Kapseln irgendwie doch von der Industrie und Medienlandschaft unendlich verdummen und vereinnahmen lässt. Nicht automatisch vollzieht sich der Schritt vom Gehirnbesitzer zum Gehirnbenutzer – ja, manchmal vollzieht er sich auch gar nicht.
Was passiert hier eigentlich? Kann es sein, dass wir uns hier irgendwie sanft entmündigen lassen. Denken wir das Ganze doch zum Spass einmal ein Stück weiter. Wie gesagt: Wir machen das nur zum Spass, nicht weil wir uns irgendwie aufregen oder besonders beunruhigt sind über Unsinniges, das auf unserem Planeten geschieht. Ja, es wäre sicher sogar ganz benunruhigend, wenn plötzlich nichts Unsinniges mehr geschehen würde, und sicher auch ganz unmenschlich.
Aber doch, mal kurz und ganz und nebensächlich gegen den Mainstream gedacht: Man kann sich einen ziemlich guten Kaffee machen – auch einen Espresso bzw. Italienischen Kaffee, indem man eine herkömmliche Espressomaschine hernimmt und den Kaffee in die Vorrichtung dazu füllt, die man danach abklopfen und auswaschen muss. Der Aufwand, um sich einen Kaffee zu machen, kann man hier ohne Probleme auf maximal eine Minute reduzieren. Es geht wirklich schnell. Vermutlich ist es sogar viel schneller als eine Minute. Wenn Sie eine Espresso-Kapsel aussuchen und einlegen – von wenigen “Blindgängern” mal ganz abgesehen – dann dauert das doch wenigstens auch mal etwa 30 Sekunden. Sie halbieren also durch die Kapsel Ihren Aufwand bei der Kaffeezubereitung.
Dabei lassen wir es mal dahin gestellt, ob die Vorbereitung eines Kaffees nicht irgendwie auch Spass macht und Ritualcharakter haben kann. Für diesen Zeitgewinn sind Sie bereit das 10fache zu zahlen. Sie zahlen allerdings auch das etwa 10fache für diesen Zeitgewinn. Die Zeit, die Sie gewinnen, müssen Sie ja woanders auch wieder verdienen. Und wenn wir das ordentlich hochrechnen würden, dass Sie für Ihren Gewinn an Zeit für geschätzte 30 Kapseln also 15 Minuten insgesamt ca. 27 Euro zu zahlen haben, lasse ich es mal offen, ob die Sache das wert ist. Vom Müll, der auf Kosten aller anfällt mal ganz abgesehen. Merken Sie etwas? Wir lassen uns vereinnahmen. Cosi fan tutti, und weil es alle machen, stellt es auch allen den Freibrief aus, selbst ausgemachten Unsinn legal und unbetraft weiter zu betreiben und zu unterstützen.
Da ist doch gerade der Kaffee, der neben Tee unbestrittene Inbegriff für die Pause und die Entspannung der vielleicht genau richtige Anstoss zum kurzen Innehalten und Nachdenken über Anschaffungen und Unterlassungen, und darüber, wie viele Dinge es eindeutig gibt, ohne die wir hervorragend durch die Zeit kommen können. Und es steht uns insgesamt gut an, vor Anschaffungen die Sinnhaftigkeit derselben vielleicht einfach mal kurz zu hinterfragen, um nicht einem Konsumrausch zum Opfer zu fallen, der sich wie ein unheilbringendes Virus über den Planeten auszubreiten scheint. Jeder mag für sich selbst prüfen, was von wieviel für ihn jeweils gut ist.
Wir besinnen uns auf Laotse, der ja schon meinte “Um Wissen zu erwerben, füge jeden Tag etwas hinzu. Um Weisheit zu erwerben, nimm jeden Tag etwas weg.” Es gibt so vieles, was niemandem fehlen würde, hätte man es niemals erfunden. Fragen Sie sich bei Anschaffungen, bevor Sie sie tätigen doch einfach mal ganz einfach: “Wirst Du mir fehlen, wenn ich Dich jetzt nicht kaufe? Oder wirst Du mich früher oder später nerven oder viel zu teuer gewesen sein, wenn ich Dich jetzt kaufe?”. Und Sie werden merken: Vieles kann ungeschehen bleiben, wenn man sich bei einer guten Kaffee auf sich selbst besinnt und wertvolle Funken Zeit in Ruhe geniesst, entspannt, gelassen, ganz ungehetzt, ganz ungetrieben, ganz bei sich selbst.
Have a great day…and a good life!