“Ich kann immer wählen, aber ich muss mir bewusst sein, dass ich, wenn ich nicht wähle, dennoch wähle.”Jean-Paul Sartre
Man kann es kaum überbetonen. Zuviel macht aus unserem Leben weniger. Zwangsläufig, unaufhaltsam, ja und eigentlich auch grausam.
Das Mehr liegt im Weniger. Wer das nicht kapiert, dem ist nicht zu helfen – ja, und ich weiss, dass damit die Hälfte der Bevölkerung unaufhaltsam für die Fülle verloren ist, denn welche Frau widersteht schon den Versuchungen einer schicken Boutique. Genau: Keine.
Es sind die Männer, die wenn überhaupt in die Wälder ziehen und dem schnöden Mammon den Rücken zukehren, um sich fortan nur noch von Selbstgejagtem zu ernähren. Und wie wenige zieht es wirklich in die Wälder. Minimalisten und Nischenpatrioten, ja eigentlich nur halsbrecherische Hardcore-Aussteiger.
Aber zum Glück kann man aussteigen und trotzdem ein brauchbares Mitglied der Gesellschaft bleiben. Zwar hat Minimieren schon viel mit der Brechstange zu tun, aber es gibt tolle Möglichkeiten im Rahmen des Code Civile, wenn man so sagen will, “Sibyl, je suis so reduced, but encore tres civil…”. Warum also nicht mal innerhalb des gesellschaftlichen Kodex aussteigen. Es juckt sowieso niemanden: Ausser eben uns selbst. Und wie schön erst, wenn man sich von den überflüssigen Kratzbürsten des Zuviel befreit hat. Denn dann geschieht das Wunder. Vorher hat es eigentlich gar keine Chance, so richtig im Leben zu erscheinen, denn ihm ist ganz einfach der Weg versperrt. Denn Dinge: das ist doch auch ein gutes Stück Vergangenheit. Und die loszulassen, das fällt uns eben allen mal so richtig schwer.
Aber wenn es gelingt, dann macht sich unmittelbar – vielleicht nach einem leichten wehmütigen Ziehen in der Magengegend – doch umgehend die Freude über die Erleichterung in uns breit. Da legt sich der frische Duft eines jungen Tages über uns, und ein bisschen ist es, als beginne man gerade jetzt noch einmal zu leben und zu erwachen in den Moment hinein, der da gerade vorbei kommt, um uns mal so ganz nebenbei in die frische Gewissheit eines herzhaften Jetzt abzuholen.
Je mehr die Zeit ins Land geht, je mehr Tage sich hinter mich legen wie ein Nadelkissen, das mir Geschichten erzählt von den Dingen, die ich noch nicht getan habe und mich anpiekt, desto mehr wird mir klar, dass Reduktion und Einfachheit mit zum Wichtigsten gehört, womit ich mich zu beschäftigen habe und worin ich nicht aufhören will besser zu werden. Dabei steht die Zahl 1 im Vordergrund, die Tatsache, dass weniger mehr ist, und dass die meisten Dinge, die uns umgeben letztlich häufig im Weg sind und uns mehr Zeit und Energie rauben als dass Sie uns dienen. In der letzten Vereinfachung bekennen wir uns zum Jetzt, zur Gegenwart, sagen Ja zu dem Moment, in dem wir sind, schauen nicht zurück und nicht nach vorn, sind wir ganz gegenwärtig.
Uns allen kommt unser Leben nur allzu leicht mal abhanden. Es scheint sich darin zu gefallen, uns aus dem Moment treiben zu wollen. Dass geht uns allen nicht nur manchmal so. Es passiert ständig. Und Überfluss im Sinne des Zuviel verhindert schliesslich die Konzentration, die Not tut, um beim Wesentlichen anzudocken, ganz bei uns selbst, wenn man so sagen will: Bei unserer Bestimmung. Weniger ist immer mehr als nur die Substraktion des Zuviel. Es ist die Zurückführung zur Essenz. Es ist das Wegnehmen von Unsinn und das Setzen von Sinn. Es ist Klarheit, es ist das Raumgeben zum Wesentlichen und nur zum Wesentlichen.
Dabei sei uns bewusst: Wir tun Überflüssiges und wir umgeben uns mit Überflüssigem. Und wir haben die Wahl. Kinder haben die selbstverständliche Kraft zu sagen, was sie nicht wollen. Sie haben überhaupt kein Problem, es uns mitzuteilen, wenn sie uns nicht mögen. Sie sagen es mit der Selbstverständlichkeit, mit der sie uns um Schokolade bitten. Autsch. Aber nochmal: Wir haben die Wahl. Wir können uns entscheiden. Aber der Entscheidungsmuskel hat die Neigung wie jeder Muskel, den man nicht trainiert, mit der Zeit schwächer zu werden. Dabei ist gerade die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, eine der wichtigsten Fähigkeiten, die wir brauchen, um unser Leben aktiv zu steuern. Wenn wir uns nicht entscheiden können, dann driften wir durchs Leben.
Wenn wir aktive Entscheidungen treffen und nach ihnen handeln, dann erst führen wir unser Leben. Im Wort Entscheidung steckt das Wort Scheidung – also die Trennung, das Loslassen von etwas oder jemandem. Und weil das so schwer fällt, hüten wir uns oft davor, von der Waffe der Entscheidung Gebrauch zu machen. Dabei ist eine bewusst getroffene, energetisch sauber gefällte Entscheidung mit eines der besten Dinge, zu denen wir als Mensch fähig sind. Wir sehnen uns alle nach Klarheit und verwässern den Begriff gerne im Nebel eines undurchsichtigen Erleuchtungswirrwarr, aus dem wir dann am Ende wie durch einen grossen Zauber in ein hellsichtiges Schauen gerettet werden. Das ist aber Bullshit. Denn es passiert nicht zufällig. Man kann sich ein gutes Stück weit von Unheil, Ballast, Destruktivitiät und allem, was sich überholt hat heilen, wenn man klare und bestimmte Entscheidungen fällt, und dabei immer besser erfährt, dass man sich selbst trauen und sich auf sich selbst verlassen kann.
Man kann es. Jeder kann das. Es ist kein Hexenwerk, kein Wunder. Es ist nichts weiter als die Erfahrung, die wir alle schon als Kinder gehabt und vielleicht vergessen haben. Nämlich, dass wir unserer inneren Stimme immer vertrauen können. Es ist die Schönheit der Wahl aus unserem innersten Sein heraus.
Have a great day…and a good life!