Es ist eine harte und zuweilen nur sehr schwer anzunehmende Einsicht, dass wir seit jeher für unser Leben verantwortlich sind und bleiben. Vor allem wenn sich der Himmel mal wieder gegen uns verschworen hat, fällt es uns schwer, das zu akzeptieren.
Das Prinzip der Selbstverantwortung ist gerade in diesen Tagen nicht immer leicht anzunehmen. Der Strukturwandel erwischt beinahe jeden, mental oder, beinahe will man sagen: frontal. Die Futtertöpfe verändern sich, also die Einkommensquellen, und Quellen, aus denen man vor kurzem noch seinen Lebensunterhalt verdienen konnte, versiegen plötzlich.
Wir sind ja eigentlich Gewohnheitstiere und gefallen uns in unseren Riten und Wiederholungen. Wir tun meistens und bevorzugt, was wir schon immer getan haben, auch wenn uns das manchmal gar nicht mehr so gut gefällt. Aber wir haben uns nun einmal daran gewöhnt, und wenn uns jemand unsere lieben Gewohnheiten rauben will oder diese plötzlich ins Wanken geraten, stellen sich Gefühle von Unsicherheit und Existenzangst ein. Mit einem Mal wackeln unsere Fundamente, und das haben wir gar nicht gern. Da bricht dann doch gerne mal der Angstschweiss aus, und im Gepäck hat er die Ratlosigkeit und die Verzweiflung, die Bewegungsstarre und die Stagnation. Man fühlt sich dann wie die Beute, die dem Tiger noch zuruft: “Friss mich, ich lauf auch nicht weg.”
Hinzu kommt, dass wir in diesen schwierigen Momenten oft alleine sind. Wir spüren intuitiv, dass uns hier niemand retten wird, wenn wir es nicht selbst tun. Und selbst wissen wir ja auch gar nicht so recht, wie oder was jetzt eigentlich dran ist. Was tun, wenn die Erde bebt? Dass sich dazu dann meist noch die Selbstsabotage gesellt und man sich wie ein Versager fühlt, was vom inneren Dialog ständig bestätigt wird, versteht sich von selbst. Kurz: Wenn die Scheisse hochquillt und uns um die Ohren fliegt, wird’s richtig ungemütlich.
Wenn das passiert, dann denken wir Sachen wie: Das kann doch nicht sein. Das darf nicht sein. Das ist nicht zu glauben. Das war nicht abzusehen. Das konnte kein Mensch vorher sehen. Das gibt es einfach gar nicht. Kurz: Was tun wir zunächst: Wir verleugnen das Unerwartete, das eingetreten ist. Wir wehren uns mental, wir versuchen uns irgendwie weis zu machen, dass das doch gar nicht wahr ist. Wir leugnen die Tatsachen.
Und genau hier können wir ansetzen. Wenn wir uns gegen Veränderung, Unvorhergesehenes und gegenüber unangenehmen Tatsachen verschliessen, haben wir keine Chance. Wir machen nur die Augen zu, während wir hilflos auf die Klippe des Wasserfalls zudriften, bevor wir endgültig abstürzen und untergehn.
Wenn wir aber Veränderungen willkommen heissen und die Gegenwart akzeptieren, dann spielen wir wieder mit. Wir haben immer die Wahl und sind immer in der Selbstverantwortung. Es ist der einzige Ausgangspunkt, von dem aus wir das Steuer für unser Leben wieder an uns reissen können. Und je schlechter es gerade um uns bestellt ist, desto wichtiger ist es, das zu sehen.
Wir müssen jetzt etwas unternehmen, wir müssen uns verändern, wir müssen nach Alernativen suchen. Und Selbstverantwortung ist der einzige Ausgangspunkt, von dem aus wir genügend Kraft gewinnen, um das zu leisten, was jetzt dran ist.
Wie geht das? Zunächst einmal müssen wir uns von dem Gedanken an unseren Wunschzustand lösen und nüchtern die Ausgangsposition betrachen, in der wir uns befinden. Vielleicht müssen wir einsehen, dass wir für eine Zeit kleinere Brötchen backen müssen, vielleicht gilt es jetzt, Dinge loszulassen, die uns ans Herz gewachsen sind. Vielleicht müssen wir Sachen machen, für die wir vorher keinen Nerv hatten. Vielleicht eben auch Dinge tun, die uns richtig unangenehm sind und die wir bisher eher beiseite geschoben haben.
Das Leben geht uns dann wieder auf, wenn wir uns von dem festgefahrenen Bild verabschieden können, in dem sich unser Dasein in Perfektion spiegeln würde. Wir haben ja alle irgendwie eine Idee von unserem perfekten Lebenszustand: Alles fliesst in Harmonie, gesundheitlich und privat ist alles im Lot. Der Kontostand spiegelt unsere Erwartungen an unseren Wohlstand und Wohlfühlzustand perfekt wieder. Die Sonne scheint. Es ist Zeit. Das Leben ist gut zu uns.
Aber seien wir ehrlich. Wie oft ist das wirklich der Fall? Wenn wir ehrlich sind, können wir nur sehr selten glücklich sein, wenn wir drauf warten, dass alles mal perfekt ist. Und in der Tat: Wir sind auch nur selten glücklich, weil immer noch etwas zum Glück fehlt, weil es in irgendeinem Lebensbereich noch immer Stolpersteine gibt, die im Weg herum liegen und weggeräumt werden müssen. Wenn die erst mal weg sind, dann, ja dann…. Die Wahrheit ist: Die Stolpersteine wird es immer geben. Und sie können extrem einfach in einen Zustand der Unzufriedenheit eingearbeitet werden und diesen rechtfertigen. Wenn Sie jemand fragt, warum es bei Ihen für das grosse Glück noch nicht gereicht hat, dann legen Sie einfach einen Stolperstein auf den Tisch und sagen: “Da schau und sieh, was mir das Leben an Knüppeln zwischen die Füsse geschmissen hat.” Und Ihr Gegenüber wir ehrführchtig die Augenbrauen hochziehen und so etwas sagen wie: “Oh ja, mein Lieber. Sie haben’s echt nicht leicht.” Und wird dann höchstwahrscheinlich dazu übergehen, Ihnen seine Stolpersteine zu zeigen.
Das Leben vergeht, während wir eifrig damit beschäftigt sind, es für uns passend zu machen. Aber wir wäre es, wenn wir unser Dasein mit all seinen Macken und Kanten, Fallstricken und Unvollkommenheiten zuerst einmal annehmen würden, um dann von diesem Ausgangspunkt der Annahme aus weiter zu gehen? Sehen Sie: Es gibt zweierlei: Einerseits haben wir die beste Energie, wenn wir unser Leben annehmen und vom Ausgangspunkt der Selbstverantwortung aus leben. Wir warten dann nicht darauf, dass jemand kommt, der uns einfach mal schnell rettet. Und das ist auch gut so. Denn niemand wird kommen. Niemals. Wenn wir aber selbst wieder das Steuer in die Hand nehmen und die Verantwortung für unser Dasein annehmen, dann spüren wir auch die Kraft. Dann spüren wir, dass wir es selbst in der Hand haben und verändern können. Und das ist ein gutes Gefühl.
Aber der wirkliche Alptraum, dem wir uns immerzu aussetzen, ist zu erwarten, dass uns all unser Tun und unsere Mühen irgendwann an einen Ort bringen, an dem alle Probleme gelöst sind und wir von nun an entspannt und selig im Zustand endloser Glückseligkeit im wärmenden Sonnenlicht über die ruhige See gleiten und Champagner trinken. Das wird es so nicht geben.
Auf einer tieferen Ebene ist Selbstverantwortung eigentlich auch Selbstannahme. Wir können unsere Einstellung in jedem Moment unseres Lebens frei wählen. Es gibt den Raum, in dem wir uns bewusst zu einer positiven Haltung entscheiden, in der wir durch die Zeit gehen. Und in dem Moment, in den wir diese Selbstannahme stattfinden lassen, wandelt sich das Gefühl, in dem wir in der Welt präsent sind.
Ron Smothermon macht in seinem Buch “Drehbuch für Meisterschaft im Leben” die Unterscheidung zwischen einem, der übt, um Meister zu werden, und einem Meister, der übt. Und es handelt sich hierbei um die reinste Wahl, die wir treffen können. Und doch verbringen die meisten Menschen ihr Leben damit, irgendwann einmal ein Meister zu werden und zu üben und zu ringen. Aber ein Schuh wird erst draus, wenn wir Meisterschaft zu unserem Ausgangspunkt machen, und dann üben.
Denn sehen Sie, es ist doch eigentlich sonnenklar. Nehmen wir an, das Leben beschenkt Sie mit allem, was Sie sich wünschen. Nehmen wir an, Ihnen wird eine Wunderlampe geschenkt, die Ihnen immer doppelt so viel von dem gibt, was Sie sich wünschen: Sie wollen ein neues Auto, die Lampe schenkt Ihnen zwei, Sie wollen ein tolles Haus, die Lampe schenkt Ihnen noch ein weiteres dazu. Alles kommt im Überfluss zu Ihnen. Im ersten Moment werden Sie das vielleicht toll finden, aber in Kürze werden Ihnen die Sachen über den Kopf wachsen und Sie förmlich erschlagen. Und selbst wenn Sie vielleicht nur genau das haben, was Sie sich wünschen. Wenn Sie es vom Ausgangspunkt eines Menschen, der übt, um Meister zu werden aus leben, wird immer noch ein Stück Weg übrig bleiben, das Sie von einem gänzlich glücklichen und zufriedenstellenden Erleben Ihres Lebens trennt.
Nur die Annahme der Meisterschaft rettet Sie und bringt Sie ohne Umwege an einen Punkt, von dem aus Se glücklich sein können. Jetzt können Sie ohne Extragepäck weiter durch Ihr Leben gehen. Und dann werden auch die Bilder an die Erwartungen, wie alles zu sein hat, wenn es erst einmal perfekt ist, etwas blasser und verschwinden langsam und werden abgelöst, von dem Blick auf das, was wirklich ist. Da Sie aber an keinen festgefahrenen Vorstellungen von dem kleben, wir alles gefälligst zu sein hat, gehen Sie gelöst durch Ihr Leben. Sie schauen es an, Sie übernehmen die Verantwortung für das, was ist und Sie nehmen es leicht, denn Sie erkennen, dass es ein Spiel ist, dessen meisterhafter Ausgangspunkt Sie selbst sind. All der unnötige Ballast, der Sie von einem Zustand der Leichtigkeit ferngehalten hat, fällt von Ihnen ab und Sie fühlen sich endlich wieder mal wie eine Feder und schweben im Licht eines glücklichen Menschen, der ganz bei sich selbst angekommen ist.
Es kann vielleicht Jahre dauern, bis Sie dieses Prinzip für sich verinnerlichen können, aber man kann es unmittelbar erkennen, und es steht Ihnen frei, es zu Ihrem Besten umzusetzen. Aber es steht ganz ausser Frage: Sie sind ein Meister, der übt. Sie hatten schon immer die Verantwortung für Ihr Leben. Und die Frage ist nur, ob Sie das anerkennen können. Und: Es wird niemand kommen, der Sie rettet. Die Gute Nachricht aber ist: Das ist auch nicht notwendig, denn Sie können das ganz alleine. Nur alleine. Es ist die klarste Entscheidung, die man für sich treffen kann. Vielleicht ist das einer der wichtigsten Deals, die Sie jemals in Ihrem Leben abschliessen. Und zwar mit sich selbst.
Have a great day…and a good life!