Fliegen

Mit dem Morgen erwachen wir aus dem Schlaf in den Tag, hinein in ein neues Wachbewusstsein. Jeder Tag ist eine kleine Wiedergeburt und gibt uns die Chance, neu anzufangen. Aber wie eine alte Platte, deren Rillen schon tief eingegraben sind, ereilen uns die Gedanken der vorigen Tage, Monate und Jahre. Einen Grossteil unserer Gedanken denken wir Tag für Tag immer wieder aufs Neue. Eine wie grosse Bewusstheit doch nötig ist, um diesem Widersacher Vergangenheit den Garaus zu machen und Neues zuzulassen, und um immer wieder im Jetzt anzukommen. Man beginnt mit jedem Tag aufs Neue. Jeder Tag ist ein ganzes kleines neues Leben. Warum benommen sein, sich sorgen?

Wir sind doch auch nur Eintagsfliegen, nur in einem geringfügig anderen Zeitkontinuum. Und wie die Fliegen sausen wir stetig gegen Scheiben und versuchen, mit dem Kopf durch die Wand zu kommen und ins Licht. Aber wir kommen nicht ins Licht, indem wir Widerstände wie Narren zu durchbrechen versuchen. Manchmal muss man warten, bis irgendwer kommt und das Fenster öffnet. Manchmal muss man umdrehen und entdecken, dass Licht auch aus einer ganz anderen Richtung kommt.

Man muss immer wieder neue Wege ausprobieren. Zum Fliegen braucht man viel Raum. Wenn Sie in einem leichten Schwebezustand ankommen wollen, müssen Sie sich auf die richtige Flughöhe einstellen und den ganzen Raum einbeziehen. Wenn Begrenzungen aufgehoben werden, dann – und nur dann – schweben wir. Denn nur dann kommen wir an im Zustand maximaler Leichtigkeit. Wenn wir uns gedanklich neuen Räumen öffen, lassen wir die Möglichkeit zu, dass Neues zu uns kommt. Neuem Raum zu schaffen bedeuet auch, unvoreingenommen sein zu können. Es bedeutet unendlich leicht zu sein, ja in gewisser Weise vielleicht sogar, unenlich naiv zu sein.

Wenn der Morgen noch ganz jung und die Sonne noch nicht aufgegangen ist, liegt das Meer zuweilen ruhig und wie ein Spiegel. Dann erst steigt die Sonne auf und am Horizont sieht man die ersten Winde kleine Streifen auf die Wasseroberfläche zeichnen. Wenn wir aufwachen, dann sollten wir sein wie dieser weiche empfängliche Spiegel. Unbedarft und lächelnd legen sich die ersten Sonnestrahlen über das Wasser, ziehen Möwen vorbei, springt ein Delphin empor und speigelt sich kurz im Licht.

Die Natur ist vollkommen empfänglich für die Darbietungen ihrer selbst und ihrer Künstler und Narren. Und die schönsten Farben und Darbietungen entsteigen einer vollkommenen Leerheit, dem Spiegel einer vollkommenen sanften Ruhe, der offen ist für alles Leben, das heute darauf tanzen und spielen wird.

Have a great day…and a good life!

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